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Jill Vivian Reich will nach einer erfolgreichen Saison in den Schweizer Schwimmbecken die internationale Bühne bei der Elite betreten. Nach Erfolgen im Freiwasser konzentriert sie sich seit zwei Jahren vermehrt auf den Pool und die 400 und 800 Meter. In den vergangenen zwei Jahren ist die Allschwilerin noch professioneller geworden.

«Hi, mein Name ist Jill Reich. Ich bin eine Schwimmerin aus Leidenschaft.» So begrüsst die Baselbieter Spitzenschwimmerin die Besucher auf ihrer Homepage. «Sport ist für mich eine Lebensschule. Sie fordert Disziplin und Durchhaltevermögen. Durch Fokussierung meiner Ziele, immer besser zu werden, an meine Grenzen zu stossen und sie zu erforschen, ist es eine tägliche Herausforderung und motiviert mich jeden Tag aufs Neue.» Es sind bewusst gewählte Worte, mit denen sich Jill Reich im Internet weiter vorstellt. Sie zeugen von Reife und Überlegtheit. Die 20-Jährige steht mitten im Leben, bewegt sich geschickt zwischen Praktikum beim Sportamt Baselland und der Schwimmhalle St. Jakob. Zeit für anderes bleibt nicht. Nicht mit dem grössten Talent gesegnet, muss sich die Allschwilerin vieles hart erarbeiten. Zweimal täglich trainiert sie im Wasser oder im Kraftraum. «Ohne Fleiss und Disziplin geht im Schwimmen gar nichts», weiss sie aus eigener Erfahrung.

Nichts mehr dem Zufall überlassen

Schwimmen gehört zu den trainingsintensivsten Sportarten. Wer es an die Spitze schaffen will, für den ist «Kilometerfressen» angesagt. Und genau das will und tut Jill Reich aus Leidenschaft. Doch das war nicht immer so. Es habe einen Moment gebraucht, bis sie wirklich realisiert habe, dass es ein Quäntchen mehr braucht, um es ganz nach vorne zu schaffen. «Ich war jetzt nicht trainingsfaul. Aber im Unterschied zu heute verzichtete ich vielleicht auch mal auf ein Training, wenn ich nicht ganz fit war.» Heute trainiert sie trotzdem und passt einfach den Umfang und die Intensität an. Dazu hat sie das Krafttraining noch mehr aufs Schwimmen ausgerichtet, das heisst, die Übungen noch mehr auf Armzug und Beinschlag konzentriert. Auch die Ernährung hat sie verstärkt ins Auge genommen. Nichts will sie mehr dem Zufall überlassen. Sie sei als Sportlerin professioneller geworden. Früher stand vor allem der Spass im Vordergrund. Heute ist es mehr die Leistung. Der Spass leide darunter aber nicht, stellt Jill Reich klar. «Es hat einfach klick gemacht und ich spürte, dass ich alles in die Waagschale werfen und als Athletin alles geben will.» Ein Aushängeschild war sie für ihren Verein schon immer. Doch nun möchte sie mehr.

Talent auch im Freiwasser

Das Fokussieren aufs Wesentliche hat bereits erste Früchte getragen. Im vergangenen Frühling wurde sie etwas überraschend Schweizermeisterin über 400 Meter Freistil. Im November holte sie über 800 Meter Gold und über 400 Meter Silber. Nicht nur eine Bestätigung, dass sie im Training und Lebensalltag auf dem richtigen Weg ist, sondern dass auch die Konzentration auf die Mittel- und Langdistanz im Becken richtig war. Denn zuvor schwamm sie während Jahren auch Rennen im Freiwasser – das heisst in Seen und im Meer – über mehrere Kilometer. Die Freude und das Talent daran erkannte sie einst zufällig, als sie an einer Schweizer Meisterschaft im Becken über fünf Kilometer bei den Jugendlichen Silber gewann. Über fünf und drei Kilometer wurde sie daraufhin mehrfach Schweizermeisterin. Die Freiwassersaison 2017 verlief aber nicht nach Wunsch, worauf Jill Reich mit ihrem Trainer entschied, sich wieder vermehrt aufs Becken zu konzentrieren. Der Freude an den Langdistanzen und dem Freiwasser tue dies aber keinen Abbruch. «Ich schwimme nach wie vor sehr gerne drei Stunden am Stück. Das kann zwar niemand verstehen, ist aber so.» Sie mag die Duelle im Freiwasser, das Ringen um Positionen, die natürlichen Gegebenheiten wie Wassertemperaturen und Wellengang. Jedes Gewässer und somit jedes Rennen sind anders. Der Taktik komme im Massenstart ohne Bahnen eine ganz andere Bedeutung zu.

Beinschlag verbessern

Trotz der aktuellen Konzentration auf die 400 und 800 Meter im Becken schliesst Jill Reich nicht aus, irgendwann ins Freiwasser zurückzukehren. Im Becken will sie in diesem Jahr den Schritt in die internationale Elite schaffen. Im Frühling möchte sie sich an den Schweizermeisterschaften für die WM qualifizieren. «Ein schwieriges Unterfangen», meint sie zurückhaltend. Denn die geforderte Limite liegt bei den 400 Metern acht Sekunden unter ihrer persönlichen Bestzeit. Klarer vor Augen habe sie die Qualifikation für die Kurzbahn Europameisterschaft im Dezember. Jill Reich blickt aber noch weiter voraus. Sie plant ihre sportliche Zukunft im Ausland. In einem schwimmverrückten Land möchte sie vom dortigen Know-how und der Mentalität profitieren. Die Konkurrenz ist in vielen Ländern grösser als in der Schweiz, die Trainings zudem härter. Die Allschwilerin weiss, woran sie noch zu arbeiten hat. Während ihr Armzug überdurchschnittlich gut ist, hat sie Schwächen im Beinschlag. «Die Technik», sagt sie selbstkritisch, «muss noch besser werden». Sie schlage die Beine noch zu weit auseinander. Dadurch gehe viel Zeit verloren, wenn das eine Bein zu hoch über dem Wasser liegt, wo es keine Wirkung und somit kein Tempo erzeugen kann. Während andere mit 20 Jahren ihr Leistungszenit erreichen, sieht Jill Reich bei sich noch Verbesserungspotenzial.

Unterstützung der Familie

Wohin es sie schlussendlich zieht, entscheidet sie spätestens im Sommer, wenn auch ihr Praktikum beim Sportamt Baselland zu Ende geht. Der Weg ins Ausland beginnt für Jill Reich frühestens im Sommer. Zuvor schloss sie die Wirtschaftsmittelschule in Reinach ab. Nach dem Praktikum will sie sich voll auf den Sport konzentrieren. Dafür allzu weit weg – zum Beispiel in die USA, wie es viele Schwimmer aus Europa tun – wolle sie aber nicht. Si e möchte das Gefühl haben, jederzeit innerhalb von wenigen Stunden unkompliziert nach Hause zu können. «Aber klar, wenn Amerika für mich die beste Entscheidung ist, würde ich auch das tun.» Die Unterstützung der Familie ist ihr in jedem Fall garantiert. Darauf konnte sie schon immer zählen, betont sie dankbar. So werden Geburtstagsfeste in der Familie und Verwandtschaft auch schon mal so gelegt, dass sie dafür kein Training ausfallen lassen muss. tg

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